Hans-Heinrich Jörgensen

Ein ausgewiesener Experte in Sachen Schüßler-Salz-Therapie. Jörgensen ist Heilpraktiker seit 1962 und Vizepräsident des Biochemischen Bundes Deutschlands. Viele Jahre war er Mitglied der wissenschaftlichen Aufbereitungskommission für Mineralstoffe und Vitamine beim Bundesgesundheitsamt.

Das fröhliche Molekül

Biochemie der Mineralstoffe  Teil 4

 

Seit Schüßlers Zeiten geistert - von seinen Gegnern in die Welt gesetzt - die These durch den Blätterwald, es müßten organische Mineralien sein, anorganische könne der Mensch nicht verwerten, sie würden die Zellen und Gefäße verstopfen. Wenn das so wäre, wären wir alle längst wie Lots Weib in der Wüste zur Salzsäule erstarrt. Zugegeben: in unseren naturheilkundlich orientierten Ohren klingt diese These gut und einleuchtend. Aber nichts desto trotz ist sie Unsinn, denn Mineralien sind per Definition immer anorganisch, ob sie nun in der Pflanze, im Wasser, im Stein oder im Menschen sitzen. 

Wohl aber kann sich ein anorganisches Kation als Verbindungspartner ein organisches Anion suchen, z.B. als Calciumlaktat oder Calciumglukonat. Auch dann bleibt Calcium anorganisch. Es ist auch weder belegt noch sehr wahrscheinlich, daß solche Verbindungen einen Vorteil hinsichtlich Resorption oder Wirksamkeit bringen. Im Gegenteil, solche Verbindungen sind oft chelatförmig miteinander verkrallt, so daß sie im Stoffwechsel nicht oder nur sehr schwer aufgelöst werden können. Soll aber Calcium in oder an der Zelle etwas tun, dann muß es zuvor dissoziiert sein, denn erst auf der kraftvollen Suche nach einem neuen Partner entfaltet es seine biochemischen Wirkungen. Dann aber ist es dem Calcium-Ion schnurzpiepegal, mit wem es zuvor verheiratet war. 

Auch ist in einer solchen anorganisch-organischen "Mischehe" das Anion ungleich größer, das Molekulargewicht der Verbindung wird höher, der Anteil des eigentlich gewollten Minerals prozentual kleiner. Die gleiche Menge Calciumhydrogenphosphat (MG 172) bringt 23% Calcium, Calciumlaktat (MG 308) 13% Calcium und Calciumglukonat (MG 448) nur noch 9% Calcium in den Körper. Will ich also mit dem Anion etwas bestimmtes bewirken, dann ist solche Arznei sinnvoll, für die Mineralergänzung hingegen bringt sie keinen Gewinn. 

Da unser Trinkwasser eine ganze Menge anorganischer Calcium- und Magnesiumanteile enthält, kommt aus der gleichen Ecke die Empfehlung, zwecks Vermeidung des Lots-Weib-Salzsäulen-Effektes nur noch destilliertes oder per Umkehr-Osmose entmineralisiertes Wasser zu trinken. Wenn Sie denn auf diese Weise ganz schnell zum Mangelpatienten werden wollen - bitte. Ein nicht unbeträchtlicher Teil Ihres Tagesbedarfes wird über das Trink- und Kochwasser gedeckt. 

Die Wasserhärte wird durch Calcium und Magnesium bestimmt. Das ist der Kesselstein, der am Tauchsieder oder den Heizröhren Ihrer Waschmaschine bei der Verdunstung hängen bleibt. Das ist übrigens auch der Schutzmantel, der sich schnell in Wasserleitungen bildet, so daß das Wasser gar nicht mehr mit dem Kupfer oder Asbest der verlegten Leitung in Berührung kommt. In manchen Städten bestehen die Wasserversorgungsleitungen nur noch aus diesem Kesselsteinmantel. Das ursprüngliche Rohr ist längst verrostet. Und wenn ein Schwerlaster drüber brummt, kann es zum Rohrbruch kommen. 

Diese Wasserhärte wird in °d = Härtegraden ausgedrückt. Der Waschmittelbedarf Ihrer Waschmaschine richtet sich nach dem Härtegrad des Wassers, den Sie beim Wasserwerk erfragen können. Ein Härtegrad entspricht einem Gehalt von 10 mg Calciumoxid oder 7,19 mg Magnesiumoxid per Liter. Da Ihr Herz Calcium und Magnesium liebt, müssen Sie sich entscheiden: Wenn Sie wollen, daß Ihre Waschmaschine Sie überlebt, dann benutzen Sie entmineralisiertes Wasser, wollen Sie aber Ihre Waschmaschine überleben, dann trinken Sie mineralreiches Wasser. 

Übrigens, der Mineralgehalt des Wassers bestimmt auch seine elektrische Leitfähigkeit. Mineralarmes Wasser ist ein schlechter Leiter und setzt dem fließenden Strom einen hohen Widerstand entgegen. Der Widerstand wird in der Elektrotechnik nach Ohm gemessen. Je weniger Mineralien, desto mehr Ohm. Darum nennt man entmineralisiertes Wasser auch hoch-ohmig. Das klingt als Verkaufsargument sicherlich besser als mineralarm, ist aber dasselbe. 
 

Schlußwort

Die Biochemische Bewegung hat sich immer schwer getan, das von Dr.Schüßler zunehmend favorsierte Ergänzungsprinzip in Einklang mit den kleinen Dosen der homöopathisch aufbereiteten Medikamente zu bringen. Sie hat sich darum oft an Steuerungstheorien geklammert, die immer dann richtig sind, wenn das eine Mineral die Wirkung eines anderen Minerals steuert. Daß jedoch die kleine Menge eines Minerals die große Menge eben desselben Minerals zu anderem Wirken bringen soll, ist durch heutige Erkenntnisse nicht gedeckt. Die Biochemie braucht zu ihrer Untermauerung auch solche gewagten Gedanken-Konstruktionen nicht. Sie läßt sich mit naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen belegen. 

Hans-Heinrich Jörgensen 
September 1998